EHEMALIGE SCHÜLER

Einblicke in das spätere Wirken einiger unserer ehemaligen Schüler

Jürgen Fuchs
Jürgen Fuchs - "Ich schweige nicht!"

Den Namen Jürgen Fuchs hat sicherlich in Reichenbach schon jeder einmal gehört, insbesondere durch die Jürgen-Fuchs-Bibliothek.

Doch wer war Jürgen Fuchs?

Wofür stand er?

Und was macht ihn zu einem würdigen Namensträger unserer Bibliothek?

Er war aber bereits in seiner Schulzeit ein kritischer Beobachter der politischen Verhältnisse in der DDR. Sein Deutschlehrer an der Oberschule Gerhard Hieke versorgte ihn mit kritischer Literatur und animierte ihn zum Hinterfragen der Verhältnisse. Er wurde zudem durch die Studentenproteste des Prager Frühlings geprägt.

Auf seinem Grabstein steht der Anfang eines von ihm geschriebenes Gedichtes, welches seinen lebenslangen Kampf gegen Diktatur und Willkür trefflich beschreibt: "Ich schweige nicht!"

Justus Schaller 10a (2023)

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Jürgen Fuchs wurde am 19. Dezember 1950 in Reichenbach geboren. Eine Gedenktafel in der Mühlgasse 13, wo er aufwuchs, erinnert heute daran. Später besuchte er die Erweitere Oberschule (EOS) Johann Wolfgang von Goethe, unser heutiges Goethe-Gymnasium in der Ackermannstraße. Schon in der Schulzeit interessierte er sich sehr für Literatur und Philosophie und verfasste eigene Gedichte und Prosastücke.

Er war aber bereits zu dieser Zeit auch ein kritischer Beobachter der politischen Verhältnisse in der DDR. Er wurde zudem durch die Studentenproteste des Prager Frühlings geprägt. Sein Deutschlehrer an der Oberschule Gerhard Hieke versorgte ihn mit kritischer Literatur und animierte ihn zum Hinterfragen der Verhältnisse.

Nach der Wende verfasste Fuchs mit diesem Lehrer das Buch „Dummgeschult“. Bereits während seiner Schulzeit wurde Fuchs vom Staatssicherheitsdienst der DDR beobachtet und aufgefordert, gegen seinen Lehrer auszusagen. Doch er zeigte Rückgrat und lieferte keine Informationen. 1969 legte Fuchs an der EOS das Abitur ab.

Im Anschluss musste er, wie alle männlichen DDR-Bürger, seinen Dienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) verrichten, zunächst in Johanngeorgenstadt, später in Plauen. Auch diese Zeit prägte ihn sehr, da er hier rigoros bevormundet und in seiner Freiheit beschnitten wurde. Später wird er seine Erlebnisse während der Armeezeit im Roman „Fassonschnitt“ und ein weiteres Mal in „Das Ende einer Feigheit“ verarbeiten.

Nachdem Jürgen Fuchs zunächst das Studium verwehrt werden sollte, weil die Schulleitung ihn als politisch unzuverlässig eingestuft hatte, wurde er schließlich 1971 doch zum Studium für Sozialpsychologie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena zugelassen. Auch während seines Studiums war er als Schriftsteller tätig. Dabei verarbeitete er Selbsterlebtes und sparte Tabuthemen nicht aus. Fuchs wollte das politische System in der DDR von innen heraus ändern, sah sich aber nicht als Gegner des Sozialismus. Deshalb trat er 1974 der SED bei. Jedoch sprach er offen die von ihm als solche wahrgenommenen Missstände an und thematisierte beispielsweise auch einen Anwerbeversuch der Staatssicherheit. Seine kritische Haltung führte dazu, dass er 1975 aus der SED und aus der FDJ ausgeschlossen wurde. Im selben Jahr wurde er, nachdem seine Diplomarbeit bereits mit dem Prädikat „sehr gut“ bewertet worden war, vom Studium ausgeschlossen. Dies hatte zur Folge, dass er über keinen Abschluss als Psychologe verfügte.

Nach seiner Zwangsexmatrikulation kam Fuchs im Gartenhaus des mit ihm befreundeten Ehepaares Katja und Robert Havemann in Grünheide bei Berlin unter. Havemann, ein im Westen bekannter Regimekritiker der DDR, bot Fuchs zunächst einen gewissen Schutz. In dieser Zeit war Fuchs im politischen Widerstand der DDR angekommen, er verschickte Informationsmaterial an Medien im Westen.

Am 19.11.1976 wurde Jürgen Fuchs im Zusammenhang mit der Ausbürgerung von Wolf Biermann und Protesten hiergegen verhaftet. Er verbrachte in der Folgezeit 281 Tage im Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen. Während der gesamten Haftzeit wurde Fuchs immer wieder vernommen und sollte Freunde verraten sowie sich von seinen Ansichten distanzieren. Insgesamt verschiedene Vernehmer wurden mit den verschiedensten Verhörmethoden auf ihn angesetzt. Auch ein Spitzel wurde in seine Zelle geschleust. Doch Jürgen Fuchs blieb standhaft. Statt Auskünfte zu liefern, diktierte Fuchs den Stasimitarbeitern seine politischen Auffassungen. Beachtenswert ist, dass Fuchs in seinem Kopf eine Art Tagebuch führte, in dem er das während seiner Inhaftierung Erlebte teilweise wortwörtlich speicherte. Stift und Papier standen ihm nicht zur Verfügung. Kurz nach seiner Freilassung erschien das Buch „Vernehmungsprotokolle“, in welchem er die einzelnen Vernehmungssituationen schilderte. Spätere Vergleiche mit den Stasiprotokollen ergaben eine beeindruckende Übereinstimmung. Am 26.07.1977 wurde Fuchs nach Westberlin abgeschoben.

Hier war im Folgenden Fuchs weiterhin als Regimekritiker des Ostens aktiv tätig. Er gab Pressekonferenzen, schrieb Artikel und Bücher und hielt vor allem Verbindung zur Bürgerrechtsbewegung in der DDR. Er schaffte verbotene Literatur in den Osten, organisierte Proteste gegen Verhaftungen und unterstützte die DDR-Opposition, wo er nur konnte. Beispielsweise ließ er Kopiergeräte und Kameras in die DDR schmuggeln. Jürgen Fuchs gilt von 1977 bis zum Mauerfall als die wichtigste Verbindung des Westens zur DDR-Opposition. Dies war Grund dafür, dass Fuchs von der SED zum größten Staatsfeind im Westen erklärt wurde und weiterhin auch in West-Berlin massiven Zersetzungsmaßnahmen ausgesetzt war. Viele Stasimitarbeiter waren auf ihn angesetzt, allein 25 Bände Stasiakten befassten sich mit seiner Westberliner Zeit.

Nach dem Mauerfall versuchte Jürgen Fuchs die Verbrechen der Staatssicherheit, denen er selbst jahrelang ausgesetzt war, aufzuklären. Er arbeitete über ein Jahr in der Stasi-Unterlagen-Behörde. Leider musste er feststellen, dass in der damaligen Gauck-Behörde zahllose ehemalige DDR-Staatsangestellte und sogar Stasioffiziere ihren Dienst verrichteten.
Seine Kritik hieran blieb folgenlos. Die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des DDR-Unrechts fasste Fuchs im Roman „Magdalena“ zusammen. Selbst nach der Wende war Fuchs noch Anschlägen auf sein Auto und Morddrohungen ausgesetzt.

1994 erkrankte Fuchs erstmals an Blutkrebs. Am 09.05.1999 starb er daran. Mehr als 400 Trauergäste erschienen auf seiner Beerdigung.

Ein Freund und ehemals inhaftierter Pfarrer sprach davon, dass sein Ableben „vielleicht nicht gottgewollt, sondern menschen-gemacht“ gewesen sei.

Hintergrund für diese These ist, dass eventuell radioaktive Strahlen während der Untersuchungshaft die Erkrankung verursacht haben könnten. Einen sicheren Beweis hierfür gibt es zwar nicht, auffällig ist jedoch, dass viele DDR-Dissidenten früh an Krebs erkrankten und daran starben.

Neben seinem schriftstellerischen Wirken geht Fuchs vor allem als Regimekritiker und Bürgerrechtler in die Geschichte ein. Er hat erheblich zur friedlichen Revolution im November 1989 beigetragen, indem er die DDR-Bürgerrechtsbewegung aus dem Westen massiv unterstützte, obwohl er und seine Familie deshalb massiven Eingriffen und Angriffen auf seine Lebensführung ausgesetzt war.

Auf seinem Grabstein steht der Anfang eines von ihm geschriebenes Gedichtes, welches seinen lebenslangen Kampf gegen Diktatur und Willkür trefflich beschreibt: "Ich schweige nicht!"

 

(Quellen und Literaturnachweise: Justus Schaller; Lebenswege von Absolventen des Goethe-Gymnasiums; Schriftsteller und Bürgerrechtler Jürgen Fuchs, Goethe-Gymnasium Reichenbach; KLL 2023)

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